Zum Inhalt springen Zur Suche springen

Workshop

Sprache und Wirklichkeit – Historische, systematische und methodologische Perspektiven

21. & 22. Juni 2024

Haus der Universität, Schadowplatz 14, 2. Stock, 40212 Düsseldorf

Das Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit ist ein kontroverses Thema an der Schnittstelle von Sprachphilosophie, Erkenntnistheorie, Metaphysik und Metaphilosophie. In der Sprachphilosophie geht es um die Frage, wie sprachliche Ausdrücke und Begriffe ihre Bedeutung erlangen. In der Metaphysik und der Erkenntnistheorie geht es um die Frage, ob es eine von Sprache und Denken unabhängige Wirklichkeit gibt und wenn ja, wie wir sie erkennen können. Die traditionelle Annahme ist, dass die Sprache ein Bild oder eine Darstellung der Wirklichkeit ist: Aristoteles und später Thomas von Aquin vertraten beispielsweise die Auffassung, dass die Dinge, die wir uns vorstellen, ontologisch unabhängig von unseren Konzeptionen von ihnen sind. Gleichzeitig gingen sie von einer Isomorphie zwischen unseren Begriffen und den von ihnen repräsentierten Wirklichkeiten aus – wie etwa zwischen einem Siegelring und seinem Abdruck in einem Stück Wachs –, was unseren kognitiven Zugang zu Ersteren zu einem epistemischen Zugang zu Letzteren macht. Diese klassische Vorstellung steht im Gegensatz zu philosophischen Auffassungen, nach denen das, was wir als Wirklichkeit bezeichnen, nur – ganz oder teilweise – durch unsere Sprach- und Denkakte konstruiert wird oder zumindest nur in dem Maße erkannt werden kann, wie es uns in unseren sprachlichen und mentalen Repräsentationen erscheint. So behauptete Descartes, obwohl auch er von unseren Begriffen als Bildern von Dingen sprach, dass das, was der Verstand unmittelbar weiß, wenn er sich ein bestimmtes Ding vorstellt, nicht das eigentliche Ding ist, sondern ein mentales Surrogat, das den Verstand potenziell von den Realitäten „dahinter“ abschirmt; er wurde damit verantwortlich für eine anhaltende Skepsis der Philosophen gegenüber der Wissbarkeit der äußeren Welt. Spätere Autoren wie Kant und Wittgenstein betonten vor allem die aktive Rolle, die epistemische Subjekte bei der Aneignung ihrer Begriffe spielen. Begriffe zu haben ist ihrer Ansicht nach nicht (nur) eine Frage der kausalen Affizierung durch äußere Dinge, sondern vielmehr eine Frage der Haltung gegenüber diesen Dingen und des (gedanklichen oder praktischen) Umgangs mit ihnen. Es sind also letztlich wir, die das Bild zeichnen, das unsere Sprache ist, und nicht die Realität. All diesen verschiedenen Rekonstruktionen des Verhältnisses von Sprache und Wirklichkeit liegt jedoch die Annahme zugrunde, dass die Sprache das Vehikel des Wissens ist – des Wissens entweder über die Welt, wie sie wirklich ist, oder über die Welt, wie wir sie konstruiert haben. Der Streit über das Wesen und den Ursprung der sprachlichen Bedeutung bildet somit auch die Grundlage für die metaphilosophische Debatte über den Umfang unseres (philosophischen) Wissens und den Beitrag der Begriffsanalyse, des conceptual engineering und anderer Methoden des Voranbringens philosophischer Theoriebildung.
In jüngster Zeit sind jedoch immer mehr Versuche unternommen worden, das Sprache-Wirklichkeit-Problem an seinen Prämissen zu packen. Auf der einen Seite haben philosophische Bewegungen wie der Pragmatismus und die Prozessontologie versucht, den althergebrachten Subjekt-Objekt-Dualismus zu überwinden, auf dem das ganze Problem beruht. Auf der anderen Seite haben so unterschiedliche Autoren wie Gilbert Ryle, Maurice Merleau-Ponty und Michael Polanyi die Annahme in Frage gestellt, dass Wissen immer sprachlich artikuliert werden muss. Interessanterweise gehen beide Ansätze, die in den modernen psychologischen Theorien des embodied mind und des tacit knowledge ihren Widerhall finden, oft Hand in Hand (wie z. B. bei Merleau-Ponty) und scheinen sich gegenseitig zu verstärken. Bislang besteht jedoch kein Konsens darüber, ob es solchen Vorschlägen wirklich gelingt, das Sprache-Wirklichkeit-Problem zu untergraben, oder ob sie nicht vielmehr auf die eine oder andere Weise denselben Aporien unterliegen.
Dieser Workshop, an dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit unterschiedlichen philosophischen Hintergründen teilnehmen, soll die historischen, systematischen und methodologischen Dimensionen der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Sprache und Wirklichkeit untersuchen. Besonderes Augenmerk wird auf Ansätze gelegt, die die grundlegenden Voraussetzungen des Sprache-Wirklichkeit-Problems, wie es traditionell diskutiert wird, in Frage stellen, sowie auf die Auswirkungen dieser Ansätze auf philosophische Bestrebungen, sich die Welt durch sprachliche und begriffliche Untersuchungen zu erschließen.

Frauke Albersmeier (Düsseldorf)

Kim Davies (Durham)

Kristina Engelhard (Trier)

David Hommen (Düsseldorf)

Yvonne Huetter-Almerigi (Bologna)

Cyrill Mamin (Jena)

Alfred Nordmann (Darmstadt)

Sebastian Scholz (Düsseldorf)

Gottfried Vosgerau (Düsseldorf)

Freitag, 21. Juni 2024

11:00–11:30 Registrierung
11:30–11:45 Eröffnung
11:45–12:45 Yvonne Huetter-Almerigi: Language and reality without the analytic-synthetic distinction
12.45–13.45 Mittagspause
13:45–14:45 Alfred Nordmann: Technology and language and reality: from Francis Bacon to Franz Reuleaux and beyond
14:45–15:00 Pause
15:00–16:00 David Hommen: The question of idealism, and the relationship between language and reality in Wittgenstein’s mature account of meaning
16:00–16:15 Pause
16:15–17:15 Kim Davies: From concepts to reality: transcendental and empirical perspectives

Samstag, 22. Juni 2024

10:00–11:00 Kristina Engelhard: Cognitive capacities, modality, reality
11:00–11:15 Pause
11:15–12:15 Sebastian Scholz & Gottfried Vosgerau: Conceptual spaces: naturalness or cognitive sparseness?
12:15–13:15 Mittagspause
13:15–14:15 Cyrill Mamin: From concepts to kinds and back again: why conceptual ameliorators should care about reality
14:15–14:30 Pause
14:30–15:30 Frauke Albersmeier: Deliberative indispensability in conceptual engineering
15:30–15:40 Abschluss

Organisation: Christoph Kann, David Hommen, Frauke Albersmeier
 
Die Teilnahme ist kostenlos und offen für alle, aber die Plätze sind begrenzt. Wenn Sie teilnehmen möchten, melden Sie sich bitte per E-Mail an: frauke.albersmeier(at)hhu.de.